Google

20. Juni 2008

mfumu – der chief



die tradionelle politische struktur der bantu-ethnien beruht auf dem sogenannten chieftainship, einer für uns schwierig verständlichen einrichtung. jedes volk hat seinen chief – regulo auf portugisisch oder mfumu auf chichewa, der über das geschehen regiert. seinem volk gegenüber stellt ein regulo oft eine grössere macht dar als selbst die landesregierung. er ist weit mehr als ein dorfvorsteher, er geniesst ernormen respekt und verehrung, kann aber auch abgwählt werden, wenn seine beschlüsse zu despotisch und ungerecht sind. eigentlich ist er ein schiedsrichter für alle alltagsprobleme, ein hüter von gesetz, ordnung und moral. die verteilung von landflächen, scheidungen, streitigkeiten, wohnungswechsel, ja selbst kriminaldelikte sind teil seines aufgabengebietes. er ist umgeben von seinen indunas, den beratern, die ihm zur seite stehen.
in ncolongue (und dem benachbarten malangu) ist der mfumu – maliki stambuli – 91 jährig und noch wahnsinnig gut im schuss! ein bewegtes leben hinter ihm und nun mitten in herausfordernden aufgaben. und natürlich ein guter freund maya’s…
vor 6 jahren wurde er aus sambia zurückgerufen, nachdem sein bruder verstorben ist – er ist kurz nach seiner geburt 1917 als die portugiesen die gegend als grosszügige konzession an eine ausländische gesellschaft vergaben, die ihrerseits die verwaltung des gebietes, aber auch die ausbeutung der bodenschätze wie auch der arbeitskräfte zum ziel hatten, ausgewandert. ohne grossen bezug zu ncolongue nahm er sein spätes erbe an und kämpft sich heute durch. der arme kam voll in den knatsch der erbfolge – die nächstgeborenen erhofften sich vorzeitig das machtvolle amt. und so leidet er an autorität und akzeptanz, überlebte einen mordanschlag mit messer und ist quasi wöchentlich zu besuch bei maya – sei’s zum tratsch oder um irgendwas zu bitten. wenn seine wünsche, die meistens transporte in aller hergottfrühe in andere dörfer sind, abgeschlagen werden, dann steht er am nächten morgen einfach um 6 uhr früh in uniform auf der matte und hofft auf mitleid...
er wohnt im neuen chiefhaus, das ihm maya gebaut hat und das den neid seiner feinde auf's neue genährt hat. es ist ein bisschen klein geraten, man weiss nicht genau ob’s an maya’s plänen liegt oder wie er meint, an dem hass des poliers auf ihn, der einfach maya’s pläne verkleinert hat… nun dort haust er mit seiner frau hoch über dem see mit traumhafter aussicht.
ich liebe es wenn er aufkreuzt. seine formelle höflichkeit mit stock, das rituelle schuhausziehen vor betreten des hauses, seine paar englisch brocken mit seinen paar übriggebliebenen zähnen, vor allem aber seine warme stimme in der er ununterbrochen in chichewa referiert. eine grosse beeindruckende persönlichkeit.

19. Juni 2008

human ressources à l’africaine


eines tages steht esmael auf der matte – als küchenchef sucht er einen neuen job. maya und ich interviewen ihn, seine arbeitsbescheinigungen und referenzen sind nicht sehr aussagekräftig. so lassen wir in 1 woche probearbeiten und so seine kenntnisse zu testen.
vor wochen, als wir gerade abwesend waren, hatten wir besuch vom arbeitsministerium – eine inspektion. zu dritt sind sie aufgetaucht, ein reisli runter zum see. für uns ein langes handgeschriebenes protokoll – ziemlich unverständlich.
beim nächsten lichinga besuch schauen wir beim arbeitsministerium vorbei und kämpfen uns zum zuständigen senhõr zacharias durch. es ist sehr kanzleimässig, überall kabäuschen, wo stappel von vergilbtem papier und wahnsinnig viele leute am verwalten sind. nach intensiver diskussion in afro-portugisisch erfahren wir, dass alle angestellten sozialversichert werden müssen – und zwar vom ersten arbeitstag an. es folgt nun eine instruktion mit formularen – maya und ich drehen fast durch – massivste bürokratie!
schlussendlich verlassen wir das amt mit 50 antragsformularen und monatsabrechnungen im gepäck. am nächsten tag setz ich mir zum ziel, die einzelnen antragsformulare auszufüllen. was eine grössere aktion werden wird… neben den persönlichen daten und den daten der unterstützungspflichtigen (frauen, ja mehrere! und viele, viele kinder) muss ich mich erstmal in die ziemlich spannende namensvererbung eindenken. ein mix aus portugisischen
zivilstandsrecht und afrikanischen stammesritualen. eine weitere problematik ist das "r", das hier als l oder li ausgesprochen wird. die konfusion wird immer grösser... to top it all – nur wenige besitzen überhaupt irgendein papier wie eine identitätskarte oder eine cedula pessoal (geburtsbescheinigung). also heisst es für die meisten nach metangula zu laufen und dort sich dort registrieren zu lassen. doch es wäre ja nicht afrika, wenn das so einfach wär… dort angekommen, hat es nämlich gerade keine entsprechenden antragsformulare. diese müssen erst von nampula (wie so vieles administratives u.a. auch staatlich geprüfte quittungsblöcke) geliefert werden und das dauert – wie wir heute wissen – wochen.
irgendwann hab ich mich dann an die mühselige arbeit gemacht: einzelabrieb mit jedem mitarbeiter, das formular fülle ich aus, mr. willard fungiert als übersetzer (ich biss mir oft die zunge ab – uff) und schlussendlich muss noch unterschrieben werden, was bei einigen ziemlich „härzig“ ist (sie lernen erstgrad in maya's schlule schreiben...).
nach 41 formularen sind meine portugisisch kenntnisse massiv gewachsen, meine handschrift dagegen gleicht einem schlachtfeld. nun müssen noch pro monat (und das sind unterdessen schon fünf) je eine abrechnung gemacht werden. format A3 quer – pro person eine zeile, ergo 41, jede information wiederholt sich mehrmals – alles in handschrift. wahrscheinlich sollte man noch ein kohlepapier dazwischen legen… dann 7% der lohnsumme (ein mitarbeiter verdient monatlich um die 80 usd), fast paritätisch aufgeteilt voll wie’s in einem sozialstaat sein muss, berechnen, auf der bank einzahlen, das ganze gefötzel auf dem amt stempeln lassen und archivieren…
dieses vergnügen hab ich an sandra abdelegiert, maya administrative unterstützung in lichinga. sie kümmert sich um den riesigen formularkrieg und die monatlichen arbeiten. neben dieser sozialversicherung, werden die steuern direkt von lohn abgezogen, die mehrwertsteuer ist monatlich abzurechnen und weitere deklarationen und abgaben…
der verwaltungsapparat mozambiks ist massiv aufwändig und jedes amt hat seine hohheit. korruption behindert oder begünstigt die abläufe und überallem portugisische höflichkeit, die nicht unbedingt mit effizienz gleichzusetzen ist. manchmal sind diese besuche von unschätzbarem unterhaltungswert und balsam für die seele. manchmal aber geduldsproben und voll die hölle.
zurück zu esmael – die probetage waren ganz passabel, die familie zieht nach und er kriegt die chance sich weiter in der vegetarischen küche zu bewähren.

17. Juni 2008

nampula - lichinga


die rückreise führt über nampula und dann – um den distanzen ein schnäppchen zu schlagen – per flugzeug nach lichinga. den nachmittag verbringe ich mit geldwechseln, flugticket organisieren (anstehen in afrikanischen warteschlangen ist eine technik für sich...) und einkaufen im shoprite. finde feta, balsamico, pilz bouillon und getreideflocken, alles sachen die man in lichinga nicht so einfach kriegt ,-)
nampula bietet wenig, ausser der den markanten, solitär stehenden granitkuppen, seiner kathedrale und riesig breite strassen. seit 1935 ist die stadt die provinzverwaltung und blühte in den 60er jahren des letzten jahrhunderts, als die portugiesen hier militär gegen die frelimo freiheitskämpfer stationierten, zur geschäftigen kapitale des nordens und drittgrössten stadt des landes auf. das ist aber irgendwie prosa, die wirklichkeit ist nicht überwältigend. viele gebäude aus den 70iger jahren sind schmucklos und völlig vernachlässigt. es scheint der bürgerkrieg hat einige spuren hinterlassen.
mein hotel, das lúrio, ist ziemlich rundown – man sieht zwar, dass es irgendwann zu den ersten adressen der stadt gehörte. Ich freu mich auf die heisse dusche im schwarzgekachelten badezimmer mit gelben armaturen (total chic…). die installation mit elektroheizer an der duschbrause sieht verlockend aus. Doch als ich mein vorhaben in die tat umsetzen will, sind die wasserleitungen leer…
am nächsten morgen – breakfast – im riesigen speisesaal mit knallblauen plastikstühlen. der zucker in beutelchen. als ich ein drittes will, schaut mich der kellner völlig vorwurfsvoll an und meint sehr autoritär: dois por pessao! uups, total vergessen – i’m in africa…
auf dem rückflug überfliegen wir die bahnstrecke nach cuamba – wo treibt sich wohl erica rum??? – lange geraden, sanfte kurven, schier endlos schlängeln sich die schienen neben der roten erdpiste. völlig andere dimensionen…

15. Juni 2008

ilha de moçambique


nach 3 stunden busfahrt (und zuvor 4 stündigem warten auf die abfahrt) – so eng und vollgestopft wie noch nie in all den wochen ostafrikas – bin ich nach unzähligen stopps endlich auf ilha de mozambique, dem wahrzeichen mozambiks.


die kleine längliche insel, die jedermann nur ilha (sprich ilja) nennt, ist weltgeschichtlich und kulturell ein prachtstück. zweidrittel davon sind als weltkulturerbe eingestuft, kein neubau stört das historische stadtbild. well, auf den ersten blick ist alles sehr ernüchternd: verlottert an allen ecken und enden kann man die alte portugisische pracht nur noch vermuten. alles scheint dem stillen verfall preisgegeben. doch hat sich das auge angewöhnt, ist ilha de mozambique einfach wahnsinnig schön. faszination und fast schon erfurcht lösen die anfängliche befremdung ab…
als vasco da gama 1498 zum ersten mal auf die insel zusteuerte, befand sich diese bereits über 1000 jahre in swahili-arabischer hand. ein scheich, moussa-ben-mbiki, herrschte damals und die portugisisch gefärbte variante seines titels wurde zum namen der portugisischen kolonie: mosambik. die insel wurde ein paar jahre später von den portugisen erobert und bald mit einer massiven verteidigungsanlage geschützt. das fort – fortaleza san sebastião – hielt diversen angriffen stand: die niederländer und die franzosen versuchten mehrmals die kontrolle über die insel zu erlangen. obwohl die insel bei jedem versuch zerstört und geplündert wurde, das fort blieb unbezwingbar fest in portugisicher hand. und so folgte eine lange blütezeit der ilha als hauptstadt mozambiks, in der sklaven-, gold- und elfenbeinhandel zu grossem wohlstand führten. der niedergang begann, als portugal beschloss die hauptstadt der kolonie in den süden nach lourenço marques zu verlegen. irgendwann verlor ilha den sitz der provinzverwaltung und die eröffnung des tiefseehafen in nacala 1947, war schliesslich der todesstoss für die privilegierte lebensart mit pomp und pracht.
heute zeigt sich die insel unverfälscht und autentisch. kein touristenrummel, fast andächtige ruhe beherrscht die zweigeteilte insel – stone town, der edle teil mit grossen praças und palästen – makuti town, die lehmstadt wo dichtbesiedelt die meisten der 7'000 bewohner leben.

der bus stoppt noch auf dem festland und es wird in einen kleinen van umgeladen, was quite eine sache ist, bis alle passagiere und die fracht verladen ist... die 3.5 km lange brücke zur insel ist einspurig und in der breite begrenzt. ich erreiche die insel an ihrer südspitze und langsam leert sich das fahrzeug. Mitten in der kolonialen altstadt ist mein hotel: escondidinho. in einem alten palast, als pensão wunderschön renoviert, dahinter ein grosser garten mit pool und das ganze unter französischer leitung. was für die küche einfach ein glücksfall ist: ich geniesse 2 tage fisch und langusten (nach 7 wochen vegetarischer kost ,-) in allen variationen, alles einfach wahnsinnig lecker und simply ein gedicht…

auf meinem stadtrundgang werde ich von einem lokalen guide begleitet (sie reissen sich schlichtweg um kundschaft...) und er erklärt mir in portugisisch und englich die imposantesten sehenswürdigkeiten: der gouverneurpalast mit seinen alten kolonialen möbeln, edlem porzellan, üppigen gemälden und wandteppichen, eingerichtet als wäre der kolonialherr nur kurz abwesend. weiter zum hospital de mozambique, ein monumentaler neoklassistischer palast und 1877 das modernste krankenhaus der kolonie. man kann den damaligen zeitgeist nur respektvoll erahnen… und ganz im norden das trotzige fort mit der capela de nossa senhora de baluarte, das älteste europäische gebäude auf der gesamten südlichen hemisphäre. eine schlichte kapelle ganz an der ungemütlich windigen nordspitze der insel. dort beteten die portigisischen seefahrer vor der seereise nach goa oder macao. oder liessen die piraten beichten, bevor sie als öffentliches spektakel mit gewehren auf einem marmorkegel exekutiert wurden.

ich schlendere begeistert durch die strassen, fasziniert von der stimmung und den eindrücken, aber auch von der offenen, selbstbewussten und aufgeschlossenen bevölkerung. Schade, schon nach 2 tagen abzureisen…

die rückfahrt ist quasi direkt mit chappa nach nampula – ziemlich halsbrecherisch und man schliesst manchmal einfach besser die augen und dankt irgendeinem schutzengel…